Texte


„Ihre Sprache ist so authentisch wie ihre Mitteilung.“

Jürgen Messensee


Peter Patzak über die Bilder von Astrid Hofstätter

Da lehnt sich Sehnsucht gegen Unnachgiebigkeit auf und weiches Verändern gegen statisches Demonstrieren, gegen scheinbar Unverrückbares.

Auf der Keilrahmenillusion (als wäre es ein umgedrehtes Triptychon) findet man – völlig neu für das an Bisheriges gewöhnte Auge – ein weiteres, kleineres, gemaltes Bild. Der unbespannte Keilrahmen des Triptychons lässt dabei den Hänge-Hintergrund frei. Das gemalte Bild dominiert das Altar-Angebot, welches auch als Halterung für Objekte dienen kann. Kleine Skulpturen, Applikationen, Wegwächter sind hier oftmals zu finden – den Auftrag, die Form, das Assoziationspaket mitbestimmend.

Und dann das Bild. Die Ereignisbilder. Die Palette: Acryl, Kohle, Tuschestift, Sand, Collage. Ein apokalyptischer Lebensraum mit Farben aus den Quellen steinzeitlicher Höhlen. Eine fürwahr rissige Struktur. Marsböden, die Erde ein Kriegsplanet und der Himmel als möglicher Gegenentwurf. 

Ein Spiel mit rückgreifenden und vorgreifenden Anachronismen. Röcke mit nackten Füßen, Rosetten, Soldaten, Musketen, Stoffblumen, Blüten, Mullbinden, Gasmasken, Waffenwesen, Embryonen, klassische Geometrie, Zeitschleifen und immer wieder Köpfe mit der ungebrochenen Andeutung von Leben. Früher, vor fünf Jahrhunderten in den Niederlanden, hätte man gesagt: Himmel, Hölle und Sintflut eben.

Abstrakt? Nein. Ein graphischer Strich in der Malerei: der Horizont oder nur ein blauer Streifen? Rosa als Signal, es könnte irgendwo, irgendwann weitergehen. Wird es auch, tut es.

Ein Messen mit geheimnisvollen Raum- und Zeit-maschinen, die versuchen die Welt umzustoßen. Zeit-waffen: Da wehrt sich jemand mit verrätselten Allegorien gegen die Vergänglichkeit. Dann wieder in einer Landschaft mit einer haptischen Schießscharte: ein Griff. Kann man damit den Fensterladen zur Raum-Zeit-Achse öffnen? Der Aussichtslosigkeit wird widersprochen. Es gibt Durchlässe, Raum- und Zeitöffnungen: die Zeitfenster mit ihrem zarten, versöhnlichen Humor.

Vielleicht ist es auch beängstigend: Ein Krokodil nähert sich einem unbeweglichen Menschentrio. Zwei Rosenbilder umrahmen eine Spielkarte: den Herzkönig. Ein Fenster, wo es nicht hingehört, verspricht ein anderes Leben.

Eine mit Kohle gezeichnete Schleife – einmal als Vulva, einmal als Kopf, einmal als Zeitschleife. Der Ober-körper einer weiblichen Figur, die in der Landschaft steckt. Ein Mann mit Gasmaske, zwei Puzzleteile von einem Pandabären in einer Windhose. Die rosa Landschaft, verletzlich wie Haut.

Zwischen dem Apokalyptischen kann man das malerische Spiel mit Materialien und Formen spüren: Reptilien, Kröten, ein Tierkopf aus dem Meeressand-boden mit einem Menschenkind in einer Strampel-hose. Krabben auf dem Weg aus den Landschafts-farben. Die Erde in einer Zeitschleife. Der Kreis im Kopf und in der unwirtlichen Weltgeschichte. Es geht um das Über-leben und um die Sehnsucht nach einer besseren Welt. Um den Kampf zwischen Ideal und Wirklichkeit.

Peter Patzak, 2020


CARL AIGNER – EXTENSIVE MALEREI

Noten zur Bilderwelt von Astrid Hofstätter

Das Narrative des Bildnerischen entfaltet sich im Erkennen des Spannungsfeldes von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, von Materialität und Immaterialität (Idee), von Absenz und Präsenz, von Bildzeit und Bildraum. Immer aber ist es ein Akt des Hinzufügens, Erweiterns, Extensivierens und nicht der Wiedergabe von Gesehenem, in gewisser Weise von Wirklichem: Das Bild als Dritter Ort von Wahrnehmbarkeit also, eine Konfiguration der Zeitlichkeit von Realem und Imaginärem.

Galt es in der Moderne, Bilder in Form von Collagen, Applikationen, Realien als Referenz von Wirklichkeit zu erweitern, also „wirklicher“ zu machen, so wendet die Postmoderne den Bildbegriff in ein Konzept einer unendlichen Zitation, in und mit der die Grenzen zwischen Bild und Nichtbild ineinander verschwimmen und amalgamisieren. Die Verfahrensweise der Digitage (der digitalen Bildverschmelzungen) bringt jeden Antagonismus von wirklich und bildlich zum Verschwinden: Die Welt wird zu einem totalen Bild und vice versa. Erst im und mit dem künstlerischen Behaupten des Bildes als genuines Welt-Bild gewinnt das Bildnerische seine ästhetische und materielle Autonomie. Es ist das konkrete Bildsein, welches es als etwas Zusätzliches wahrnehmbar und erfahrbar macht und das Sehen als Erkennen konstituiert.

Bildsein

Eine seit 2016 entstehende Bildserie mit ihrer spezifischen Rahmung markiert im Werk von Astrid Hof-stätter in Vielem das soeben Skizzierte. Die zusätzliche Montage des genuinen Bildes auf einen größeren Holzrahmen expandiert konstruktivistisch ins Freie des Bildnerischen und öffnet den Blick ins Imaginäre: Der Rahmen als materielle Bildbegrenzung wird in seiner Erweiterung über das unmittelbare Bildformat hinaus zu einem unendlichen Bild(raum). Derart ist das Bild kein Fenster zur Welt mehr, sondern Eigenwelt selbst. Akzentuiert wird dies etwa auch durch die Montage von verschiedenen Alltagsobjekten am Rand der Leinwandbilder, die fast organisch über die Leinwände hinauswachsen. Die damit verbundene Transformation des Bildes zum Objekt ist – seit der Moderne – eine weitere extensive Reformulierung des Bildbegriffes.

Diese scheinbar bloß formale Rahmen-Geste korrespondiert mit vielen Bildbetitelungen und bildet den Link zum semantischen Bildraum. Die angesprochenen Themen wie Zeit, Raum, Leben, Erde und Materie verweisen auf existentielle Fragestellungen, auf ein „In-die-Welt-geworfen-sein“, wie es die Künstlerin existentialistisch formuliert. Das damit verbundene Begreifen des Bildes als etwas Existentielles äußert sich an der spürbaren Lust am Haptisch-Sinnlichen, durch das sich viele Werke auszeichnen, ebenso wie an den Titel-Themen, die sich zwischen „Himmel und Erde“ bewegen. Da geht es um die Frage des Überlebens ebenso wie um das Frausein, um Krieg ebenso wie um Hoffnung, Liebe und die Sehnsucht nach Harmonie.

Zeit und Zeitlichkeit

Ein immer wiederkehrendes Thema ist das Momen-tum der Zeit, welches stark mit evolutionären (Überlebens-)Fragen quasi archäologisch verknüpft wird, wenn mit Bildern und Objekten (versteinerten Muscheln) darauf repliziert wird. Zeit als Ur-Zeit spielt dabei ebenso eine Rolle wie Zeit-Eskapismus, wenn „Zeitfenster“ die Möglichkeit einer Überwindung von Gegenwartszeit suggerieren und Zeitmaschinen für Zeitreisen imaginiert werden. Hier findet sich – oft mit Humor und Romantik – die Sehnsucht nach Andersheit, Freiheit und Ferne, symbolisiert durch Einhorn, Vogel oder den Fisch als Symbol unseres Herkommens aus dem Wasser. Zeit signalisiert sich vor allem auch in den Landschaftswelten, aus denen die Figurationen und Objekte quasi herauswachsen oder in sie gesetzt sind. Die expressiv-lyrischen Farbgebungen evozieren Urwelten und damit Urmaterie als Zeitspeicher der Natur.

„Neo-Feudal“ betitelt die Künstlerin ein Werk, in dem Atomreaktoren mit Palmenidylle konfrontiert werden. Astrid Hofstätter geht es dabei um nichts Geringeres als um die condition humaine: Wer sind wir? Warum sind wir? Was wollen wir sein? Unversehens wird die Seins-Philosophie von Martin Heidegger und Jean Paul Sartre angesichts unserer High-Tech-Welten, unserer Bio- und Gentechnologien wieder brisant. Nicht zufällig ist Natur ein immer wiederkehrender Aspekt ihrer Bilder-Universen, steht sie doch für Schöpfung und damit für Unendlichkeit als bewahrte Zeit. Und sie, die Natur, ist auch das „Prinzip Hoffnung“ (Ernst Bloch) im Werk der Künstlerin.

Bildnerisches

Wie fragmentarische Notizen, Bruchstücke des Lebens wirken die vielen Erzählungen im Thema der Bildnarrative, die bildnerisch im Ineinander von Zeichnerischem und Malerischen entpuppt werden. Wie überhaupt das Graphische essentiell für ihre Malerei ist. Ersteres schafft die figurativen Erzählungen, während die Malerei das Atmosphärische situiert. Im Wechselspiel beider entwickelt sich das bildnerische Szenarium, das sowohl konzeptuell wie auch assoziativ-spontan bewerkstelligt wird. Bild-im-Bild-Strategien spielen in den Bild-Choreo-graphien ebenso eine Rolle wie die Setzung des „Goldenen Schnitts“ mit seiner bildnerischen Harmonie
oder das Aufreißen des Bildraums durch Farbkontraste oder applizierte Objekte. „Schrecklich-schön“ wirken viele Kompositionen, oft wie Zeitenenden und Endzeiten-Imaginationen: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“, hat Franz Kafka einmal im Hinblick auf die Wirkung von Literatur geschrieben. Dies gilt genauso für Bilder.

Carl Aigner, 2020


Astrid Hofstätters Bilder bezeugen vor allem eine große Lust am Narrativen, am Erfinden und Erzählen von Geschichten.

In ihnen drückt sich nicht zuletzt auch die Lebenslust der Künstlerin aus, ihr Humor und eine gewisse Verspieltheit oder vielmehr Leichtigkeit, die daher rührt, dass sie z. B. Krisen als Notwendigkeit empfindet, damit sich Dinge ändern und weiterentwickeln können.

In ihrer Ausstellung „Werte und Märkte“ geht es um Kritik an den gegenwärtigen, allein der Gewinnmaximierung dienenden Wirtschaftsstrukturen, bei denen andere Werte wie Menschlichkeit und Solidarität zwangsläufig auf der Strecke bleiben.

Alexandra Schantl, 2009


Astrid Hofstätters Bilder sind eine Mischung aus Malerei, Zeichnung und Collage. Expressiver Duktus steht neben schematisierter Zeichnung, eine eigene Formenwelt wird verknüpft mit Fundstücken aus Alltag und Populärkultur.

Hofstätters Themen sind der Ausdruck von Sexualität, das Spannungsfeld zwischen Materie und Spiritualität, der Mut zum Aufbruch, zum eigenen Weg und Politisches: Kollektive Wandlungsprozesse, Globalisierung, das Aufeinandertreffen verschiedener Religionen und die Kritik an Wirtschaftsstrukturen, die ohne Menschlichkeit und Solidarität allein der finanziellen Gewinnmaximierung folgen.

2008


„Das Thema Zeit, die Endlichkeit des Daseins, die großen Angelpunkte des Lebens, Geburt und Tod, welche die Künstlerin bewusst oder unbewusst mitdenkt, sind der Fokus der Zeichensprache Astrid Hofstätters. Ihre Bilder entstehen scheinbar zuerst in einem inneren Territorium, aus einer Ansammlung von Eindrücken, Erlebnissen, Momenten, Gefühlen und Gedanken, bevor sie diese auf Papier oder Leinwand katapultiert. Woraus sollten sie sonst entstehen? – ist man geneigt zu fragen. Doch die Künstlerin schafft es, eine fast spirituelle Lockerheit und Entspanntheit zu entwickeln, dieses Erleben in einem ästhetischen, poetischen und individuellen Zeichensystem zu subsummieren.

Verbindungen zur Kunst der Kinder, zur Kunst aus der Frühzeit der Menschheitsgeschichte, zum Mythos, dem schon die klassische Moderne nachspürte, sind in den Arbeiten Astrid Hofstätters ebenso sichtbar wie geballter weiblicher Eros.“

Wolfgang Denk (Katalog 2007)


„Es sind mehrere übereinander gelagerte Spannungsverhältnisse, welche die Bilder von Astrid Hofstätter definieren. Sie rufen Skurrilität, Rätselhaftigkeit und Absurdität hervor. Da wäre, wie erwähnt, das Spannungsverhältnis zwischen realen Dingen und einer spirituellen Welt. Formal gesehen, liegt große Spannung zwischen spontan gesetzten malerischen Elementen neben kritzelartiger Strichführung und den gegenständlichen, oft in kleinen, geordneten Serien dargestellten Objekten. Freie, abstrakte Farbspuren stehen im Gegensatz zu geometrisierenden, Raum andeutenden Linien.“

Sonja Traar (Katalog 2007)


„Das weiße Blatt Papier – wobei sie das Weiß großzügig stehen lässt – ist nicht nur Bildträger, sondern Herausforderung, der sich Astrid Hofstätter souverän und mit großer künstlerischer Energie in jedem Bild aufs Neue stellt.“

Angelica Bäumer (Kulturzeitschrift „morgen“ 1999)


„Astrid Hofstätters Bilder scheinen Geschichten zu erzählen. Der narrative Aspekt wird auch noch durch die Bildtitel festgemacht.

Was Hofstätter vorstellt, ist von der Kunstart her nicht fix bestimmbar. Handelt es sich nun um zeichnerische Malerei oder malerische Zeichnung? Und das ist noch sekundiert vom Collagieren.“

Burghart Schmidt (Katalog 1998)